Donnerstag, 27. Juli 2017

Zambujeiro - der wilde Ölbaum

Zambujeiro, Zambujo oder Zambujeira ist ein häufiger Ortsname in Portugal, man denke an das hübsche Fischerdorf Zambujeira do Mar an der alentejanischen Westküste mit seinem riesigen Musikfestival und an viele andere kleine Orte im Land.
Es einige Zeit gedauert, bis mir klar wurde, daß dies Wort einen Baum bezeichnet: die wilde Olive.

Der wilde Ölbaum vermehrt sich im Gegensatz zu allen gezüchteten Sorten geschlechtlich, also durch Samen. Jeder Baum ist deshalb genetisch ein bißchen vom anderen unterschieden. Aber seine Frucht, eine winzige "Wildolive", ist unglaublich bitter. Deshalb wurden bereits in der Antike - seit 4000 Jahren - mildere und ölhaltigere Sorten gezüchtet.*)

tausendjähriger Zambujeiro, mit Gama gepropft, Umfang 9 m

Die gezüchteten Ölbaumsorten, aus denen Olivenöl gewonnen wird, sind alle innerhalb ihrer Sorte genetisch identisch. Sie werden mit Ablegern gezogen, wachsen also nicht aus befruchteten Kernen. Falls doch mal ein befruchteter Kern keimt, so wächst daraus nicht etwa eine Kreuzung der Sorten der "Elternbäume", sondern eine Art zurückverwandelter Zambujeiro, wieder eine Wildform.


tausendjähriger Zambujeiro, mit Cordovil gepropft


Bis in jüngster Zeit wurde der Zambujeiro gerne als resistente Unterpflanze genommen und mit Zweigen der gewünschten Sorte gepropft, sobald er groß genug war. Das läßt sich an älteren Bäumen an den Knubbeln erkennen, die so etwa 1/2 Meter über dem Boden vor der Verzweigung an den Propfstellen gewachsen sind. Man kann wie bei Äpfeln auf diese Weise auch mal zwei Sorten auf einen Stamm aufpropfen.

Heute werden die Setzlinge fertig geliefert, aber noch zu Beginn der 2000er Jahre habe ich selbst erlebt, wie aus Zweigen Ableger gwurden: Der Gärtner suchte sich einen guten festen Zweig der gewünschten Sorte, oder ließ sich einen schenken, steckte den einfach in die Erde, goß ein bißchen, und der Zweig trieb übers jahr tatsächlich dort Wurzeln und Zweige und wuchs zu einem neuen Ölbaum heran, außer, der Gärtner befand im Jahr darauf, daß eine der Pflanzen "nao presta", nichts tauge, diesen Zweig herausriß und es mit einem neu geschnittenen Ableger versuchte.

Früher bekamen die Ölbäume nur in den ersten kritischen Jahren in heißen Sommern Wasser, bis ihre Wurzeln tief genug gründeten. Heute sind alle Plantegen an künstliche Bewässerung angeschlossen und geben dickere Früchte.



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*) siehe die römischen Sorten, die Cato erwähnt - in meinem Post vom 20.04.17.

Mittwoch, 26. Juli 2017

in memoriam Padre Alípio de Freitas 1929 - 2017


Der Journalist, Priester, Lehrer und Revolutionär Alípio de Freitas ist am 13. Juni 2017 in Lissabon verstorben. Er wurde 88 Jahre alt.

Seit den Neunzigern hatte er sich Alvito im Alentejo niedergelassen, er, der im Norden Portugals geboren und aufgewachsen war, und danach lange Jahre in Brasilien aktiv war und deshalb dort ab 1970 viele Jahre im Gefängnis unter dem Folter-Regime zubringen mußte, bevor er zunächst in Mocambique und dann wieder in Portugal lebte.

"Baía de Guanabara
Santa Cruz na fortaleza
Está preso Alípio de Freitas
Homem de grande firmeza"
                     ... heißt es im Lied von José Afonso

Alipio de Freitas war tatsächlich ein Mann von großer moralischer Festigkeit: es war bis zu seinem Lebensende aktiv für die Landbevölkerung, für die Rechtlosen und Vergessenen: Er baute in den 60ern in Brasilien für die Ärmsten Strukturen der Selbstorganisation auf, gab Unterricht an der Universität, mußte nach Mexiko ins Exil, kehrte nach einer Ausbildung in Cuba zurück, war schließlich in der PRT (Arbeiterpartei Brasiliens) aktiv. Und schon vor dem II. Vatikanischen Konzil hielt er seine Messen auf Portugiesisch statt auf Latein.

Die Ungerechtigkeit, fehlende Chancen und die Brutalität der Unterdrückung gingen ihm schon in seiner Zeit als Priester in den Armenvierteln gegen den Strich. So wendete sich der Priester immer mehr dem aktiven Kampf zu, als er merkte, daß Beten alleine nichts gegen die Ungerechtigkeit hilft. Er gründete die ligas camponeses (Landarbeiter-Ligas), nahm an Landbesetzungen teil, half beim Aufbau clandestiner Strukturen.

Von 1970 bis 1979 war er politischer Gefangener, gefoltert, verhört, gefoltert. Fast 10 Jahre lang. Er brachte aus dem Gefängnis seine Schrift "Resistir é preciso" also "Widerstand ist nötig" mit, daß in Portugal vor einem Jahr als Buch wieder aufgelegt worden ist. Daß er zu den wenigen Menschen gehört, die aus einer solch traumatischen Situation ungebrochen ins Leben draußen zurückfand und weiter aktiv blieb, mag seinem festen Glauben zu verdanken sein: Er konnte sich auf die Schritte konzentrieren, die nach vorne weisen, und strahlte bis zum Schluß einen ruhigen und ansteckenden Optimismus aus.

Nach 1980 arbeitete er als Journalist für das portugiesische Fernsehen RTP. In dieser Zeit war er unter anderem aktiver Mitgründer des Weltsozialforums in Porto Alegre, desssen Motto "Um outro mundo é possível" - "eine andere Welt ist möglich" auch immer sein persönliches Motto blieb. In Portugal war er in der AJA (Associacao José Afonso) aktiv, und ohne ihn gäbe es die Casa do Brasil in Lissabon nicht.
In den letzten Jahren verließ ihn sein Augenlicht, schließlich wurde er stockblind, blieb aber weiterhin aktiv.

Zu seinem Begräbnis am 14.06.2017 in Alvito war neben dem anderen bekannten Ex-Padre und Freund Francisco Fanhais die gesamte aktive Linke des unteren Alentejos da, und aus Lissabon alle wichtigen Leute seiner Partei BE (Bloco de Esquerda).

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In Deutschland war Alípio de Freitas kaum bekannt - aber wir alle verlieren mit ihm ein wichtiges Vorbild an Zugewandheit und Engagement. Wir trauern mit allen seinen engen Freunden, und mit seiner Tochter, der brasilianischen Sängerin Luanda Cozetti.