Montag, 30. Oktober 2017

#medronho

m e d r o n h o


ahhh ja, Medronho! Der stärkste Schnaps Europas. Er wird aus den Früchten des Erdbeerbaums gebrannt. Jetzt blüht er wieder, der Medronheiro!


Der Erdbeerbaum ist ein seltsamer zwei bis etwa drei Meter hoher buschiger immergrüner Strauch, der das Jahr über unscheinbar bleibt, aber dann ab Mitte Oktober bis Mitte Februar gleichzeitig blüht und Früchte trägt.   Mit den Heidekrautgewächsen ("Erika") ist er verwandt. Arbutus unedo, wie der "westliche Erdbeerbaum" botanisch heißt, wächst in der Serra zwischen Algarve und Alentejo, aber laut Karten auf der gesamten iberischen Halbinsel außer in deren Zentrum, an der Küste Süditaliens, auf Sardinien und Sizilien, in Griechenland ...

#Medronho: Feira de Medronho Sao Barnabé
Die Blüten ähneln denen von Heidelbeeren, die Früchte sind kugelrund, erst weißlich-gelb, dann gelb-orange und zum Schluß erdbeerrot und haben etwa 2 cm Durchmesser. Das sieht sehr, sehr hübsch aus im Winter!

Die Früchte müssen in der Erntezeit sorgfältig abgeerntet werden, die Leute der Serra gehen jeden dritten Tag zu den Bäumen ihrer Gegend hin und holen die frisch gereiften. 




Es gibt viele Gerüchte um den Medronho, es soll recht gefährlich sein ihn zu trinken. Auch von den Früchten des Erdbeerbaums soll mer lieber nur ganz wenige probieren, heißt es. Sie gären sehr schnell, und können vielleicht schon im Bauch Alkohol produzieren?
Man muß aber deshalb jedoch nicht auf Medronho aus großen industriellen Schnapsfabriken ausweichen, um sicher zu sein. Ich rate davon sogar ab, denn - der schmeckt nicht. Das ist wie bei Wacholderschnaps. Wenn man Gin mal aus artesanaler Produktion gekostet hat, nimmt man zum pur Trinken nur noch diesen und den anderen nur noch für Mischgetränke mit Coca-Cola.

Ich selber kaufe von kleinen Distillerien aus der Serra, deren Produkte in lokalen Cafés oder in den Artesanato-Läden von Mértola oder Alcoutim angeboten werden, auch in Almodôvar gibt es sehr guten Medronho und, natürlich, im "Museo de Medronho". Diese Flaschen haben Etiketten mit dem Namen der Produzenten, der Seriennummer des Brands etc. 









Im Alentejo gibt es jetzt auch ein Museum über diesen Strauch des westlichen Mittelmeerraums: Das Museum in Alqueva ist ein privates Museum und liegt am Rand von Alqueva, dem Dorf, nach dem der größte Stausee Europas heißt. Dort habe ich erfahren, daß auch auf Sizilien und in Griechenland Schnaps wie der portugiesische Medronho gebrannt wird. In Italien soll es den Brauch gegeben haben, Kindern die Früchten als "Bonbon" zu Neujahr oder Dreikönig zu geben. Man kann diese "Erdbeeren", die auch auf einigen Bildern von Hieronymus Bosch dargestellt sind, eben auch undestilliert essen!

Dies Museum in Alqueva brennt seinen Medronho aus den Früchten von extra gezüchteten Pflanzen von der Herdade de Monte Santos, zu dem das Museum gehört. Man kann sich den Keller mit dem Lager und den riesigen Edelstahl-Brennkesseln anschauen. Die Früchte werden dauernd chemisch überwacht und kommen von kontrollierten identischen Pflanzen ihrer Baumschule. Es gibt dort in der loja neben Medronho-Schnaps auch Likör vom Erdbeerbaum und für Abstinenzler Marmelade von seinen Früchten. 
#Medronho artesanal, aus kleinen Destillen
Manchmal findet man auf Märkten oder im 'Continente' auch Medronho-Honig, der ist etwa so bitter wie unser Kastanienhonig.


Yo, saúde (Prost) ... und zum Schluß das Wort eines Großdichters:

Der Erdbeerbaum blüht jetzt wieder, indem seine letzten Früchte reif werden, und ebenso zeigt sich der Orangenbaum mit Blüthen, halb und ganz reifen Früchten ..... Über die Cypresse, den respectabelsten Baum, wenn er recht alt und gut gewachsen ist, gibt's genug zu denken. ...
Überhaupt ist mit dem neuen Leben, das einem nachdenkenden Menschen die Betrachtung eines neuen Landes gewährt, nichts zu vergleichen. Ob ich immer gleich noch derselbe bin, so mein' ich bis aufs innerste Knochenmark verändert zu seyn."


Im Baixo Alentejo wachsen sie gerne auf magerem Boden
Verbreitungsgebiet Medronheiros laut Karte im Museu do Medronho





















Dies schrieb Johann Wolfgang Goethe am 2. Dezember 1786, über seine Spaziergänge bei Rom.
Wer hätte gedacht, daß ich je ein Goethewort fände, das als Motto für meine Marmello-Reisen passt!

                                                                                                  Fritzi, 29.Oktober 2017











Sonntag, 8. Oktober 2017


Vinho de Talha 

der portugiesische "Amphoren-Wein"


Vila de Frades 
já não tem abades
mas tem adegas 
que são catedrais
                                                         Die Stadt der "Klosterbrüder"
                                                         hat längst keine Äbte mehr
                                                         aber ihre Weinkeller
                                                         sind wahre Kathedralen

Wie die ganze Gegend um Vidigueira herum ist auch das Städtchen Vila de Frades im unteren Alentejo schon seit Jahrhunderten berühmt für guten Wein. Vor allem die Weißweinsorten Antão Vaz, Arinto und Perrum gedeihen hier hervorragend.



Was Vila de Frades von den Nachbardörfern und -städtchen unterscheidet, sind seine Adegas (Weinkeller), die ihren Wein noch genau so keltern, wie man es schon in der Antike machte: in großen Tonkrügen, Amphoren. Der Geruch in so einer kleinen kühlen Adega mit 5 oder 9 Tonkrügen, den "talhas", ist fantastisch! Diese Tonkrüge sind oben 30 bis 40 cm weit offen und haben nicht die schlanke klassische Amphorenform, die von den Römern lieber für den Transport genommen wurde, da ihr schmaler Hals sich besser verschließen ließ. 



 
 

  



Die Talhas zur Weinherstellung haben hier eine bauchige Form, sie sind innen glasiert und 1,50 bis 1,80 m hoch. Es gibt auch noch größere Töpfe, die sind in gleicher Form, aber aus Beton gegossen und können 2 m und höher sein.
 


Die Trauben werden ganz gekeltert, mit ihren Schalen, die als Geschmacksgeber und Oxidationsschutz dienen und zum Schluß als Filter. Die Flüssigkeit mitsamt den Schalen muß täglich mindestens zwei Mal umgerührt werden, eine schwere Arbeit, für die der Weinbauer auf die Leiter (siehe die Fotos unten) steigen und mit dem langen Stecken die sich absetzende Masse aufrühren muß.


Am Martinstag wird der Tonkrug unten wie ein Bierfaß angezapft, und ein sehr bekömmlicher einfacher feiner Wein läuft in die Schale. 


Da die Leute von Vila de Frades keinen blassen Wein mögen, wird traditionell auf einem Weinberg mit weißen Trauben meist eine Reihe Rotwein dazugepflanzt, die Trauben werden gemeinsam geerntet und gekeltert. Das ergibt die leicht orange-goldene Farbe, von der der traditionelle Wein den Namen "pitrol" erhalten hat, eine Verballhornung vom Wort Petroleum, das lange Zeit das Lampenöl in den Häusern und Werkstätten war.



Heute gibt es auch reine Rotweine, die in Talhas gereift sind. In Vila de Frades zeigen kleine Kacheln die Türen oder Garagentore an, hinter denen sich eine der alten Keltereien versteckt. Von über hundert Adegas in den fünfziger Jahren sind immerhin noch 12 bis 15 in Funktion, meist für den Eigenbedarf.
Und der Vinho de Talha wird bekannter: Ein paar der jungen Winzer auf den neuen Gütern wie Herdade de Rocim verkaufen weißen und roten "Amphora" schon nach Deutschland (zum Beispiel bei Rosário & Prange Weinhandel, Köln) und auch die Cooperative von Vidigueira, Cuba und Alvito wird wieder Wein auf die dieser lokalen Tradition fördern.


Dem "Amphorenwein" Vinho de Talha gewidmet ist das Weinfest Vitifrades in Vila de Frades Anfang Dezember, dies Jahr vom 8.12.-10.12.2017. Sejam bemvindos!




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marmello-reisen bedankt sich herzlich bei dem Lokalhistoriker und Autor Desidério Lucas do Ô für die Erläuterungen.







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