Montag, 26. Februar 2018

A Feira do Queijo - die Käse-Messe in Serpa

Ovelha alentejana - alentejanisches Schaf

Käsemesse in Serpa




Dies Jahr konnte ich zum ersten Mal nicht direkt dabei sein: bei der kleinen + feinen Käsemesse in Serpa, die gerade an diesem Wochenende vom 23.02. bis 25.02.2018 stattfindet (Programm)

Fast jedes der alentejanischen Städtchen und Dörfer hat mittlerweile zusätzlich zum traditionellen Fest des Stadtheiligen und zur Kirchweih eine thematische Feira, "Feira de Cogumelo", do "Peixe do Rio", da Caça, da Castanha (Pilz-, Flußfisch-, Jagd und Kastanien-Messe); das muss eine von Europa geförderte Veranstaltungsform sein, die im Alentejo sehr grassiert, die aber auch immer wieder neue Einblicke ins Landleben und neue Kontakte ermöglicht.

An der Käsemesse zu Serpa ist alles gut gelungen, sie hat die richtige Größe, sie hat kein absurdes Thema, sondern sie gruppiert die Veranstaltungen um den speziellen DOP-Serpa-Schafskäse herum, dessen Qualität und Besonderheit tatsächlich nicht genug gefördert und bekannt gemacht werden kann! Und die Feira do Queijo hat ein bemerkenswertes Kulturprogramm auch mit Initiativen für Kinder. Und dann beteiligen sich zahlreiche alentejanische Chorgruppen mit ihrem von der UNESCO als immateriellem Kulturerbe klassifizierten A-Capella-Gesang, sodass auch des Kennenlernen dieser verschiedenen Grupos Corais ein guter Grund zum Besuch dieser Messe ist!.

Doch zurück zum Käse: Queijo de Serpa DOP ist ein reiner Schafsmilchkäse. Die Milch wird weder mit echtem Lab, noch mit industriell gefertigtem Ersatzlab zum Gerinnen gebracht, sondern mit einem Absud von Cardo. Das ist eine Artischockenverwandte, die ich als Laie eher als lila Distel bezeichnen würde. Sie blüht im Juni/Juli, die violetten Blütenblätter werden gesammelt und getrocknet, eine daraus gebrühte „infusão“ muss wie die Milch 27° bis 32° C warm sein, manche sprechen auch von bis zu 34° haben, dann wird sie der ebenso warmen Milch zugegeben, und es beginnt der Gerinnungsprozess, ohne den nie einen Käse geben würde.



Auf der Messe dürfen auch die "Kleinen" mitarbeiten
Es gibt diese spezielle Tradition der Käsezubereitung seit mindestens 2500 Jahren. Die Römer beschrieben beide Formen der Käseherstellung, die mit Cardo und die mit Lab, einem Enzym aus dem Magen jüngster Kälber, es genügt, den getockneten kleinen Magen - wie ein Lederbeutelchen - ein paar Minuten in die erwärmte Milch zu tauchen, und die Gerinnung setzt ein, das ledrige Teil kann danach trocknen und wieder verwendet werden. Es heißt, dass die nach der Zerstörung des Tempels sich über das römische Reich zerstreuten antiken Juden die Technik mit Cardo nach Iberien mitbrachten, da Speisegesetze es ihnen verboten, Milch und Fleisch zu mischen*).
In der mittelportugiesischen Bergregion Serra de Estrela gibt es auch diese Sorte Käse und auch in der Estremadura (in Aracena), in Las Hurdes (wer erinnert sich noch an den Film von Buñuel?), in Cáceres der Käse 'Casar de Cáceres', und auf Gran Canária "Flor de Guia". Vielleicht stimmt der Hinweis mit der 'jüdischen Herkunft' des Rezepts, denn alle diese Regionen sind sehr abgelegen, dort hätte sich eine von der Norm abweichende Käseherstellung, die Rückschlüsse auf den nicht korrekten katholischen Glauben erlaubt, unentdeckt halten können. Mit den spanischen Suchworten queso, cardo und cuajo (Gerinnung) kann man sich jedenfalls vor der nächsten Spanienfahrt auf die Suche machen, wenn man es nicht bis nach Serpa in den Alentejo schafft.

Mit 'unserer' Karden-Distel hat der Cardo außer seiner Namensähnlichkeit nicht so viel zu tun, die blüht zwar auch blaulila, aber hinterlässt längliche Kolben mit Widerhaken-Haaren, die zum Kämmen und Aufrauhen von feiner Wolle verwendet wurde. Je nach Wetter, Jahr und Gegend wechselt die Qualität der  Cardo-Blüten, für 100 l Milch werden 30 g bis 50 g Cardo benötigt. Kosteten die Blütenblätter im Jahr 2008 noch 25 €, so sind heute mindestens 50 € pro Kilo zu zahlen.

Guckt beim Kauf von Käse in Portugal auf die Inhaltsstoffe: da darf nur leite cru (Rohmilch), sal e cardo stehen, dann habt Ihr genau diesen echt vegetarischen Käse ohne jede "Chemie". Das Gerinnungsmittel Cardo gibt dem Käse einen feinen bitteren Geschmack, selbst bei sehr jungen Käsesorten. Die älteren Sorten sind innen wie buttrig ("amanteigado"). Man kann so einen handgroßen Käselaib oben aufschneiden, die Schale wie einen Deckel abnehmen und dann den Käse löffeln, wenn er noch geschmeidig ist.

Vila Nova Sao Bento, Serpa 2017
Ceifeiras de Pias, Serpa 2017


*) siehe: "Quesos de flor de cardo en la Península Ibérica" by Janet, published auf: www.thefoodiestories.com 15/07/2016 London. Hier wird verwiesen auf: Heft 2 (2002) der Zeitschrift Gastronomica, the Journal of Food and Culture (California Press)

Weitere Informationen - auf portugiesisch - gibt's im Buch "Queijo Serpa - um Património a Preservar" von Carlos Manuel Varela Bettencourt, Cristina Maria dos Santos Conceicao Pinheiro et. alt., Edicao: Rota do Guadiana, Dez 2008

Samstag, 17. Februar 2018

as monoculturas

Ein neues, fundamentales Problem im Baixo Alentejo sind die riesigen Monokulturen.
Der Bloco da Esquerda (BE) macht sie in einem ersten Kongress auf Distriktsebene heute, am 18.02.2018 zum Thema: as monoculturas

Zu diesem Thema gibt es eine excellente Audio-Reportage, sowie zur Kehrseite der Monokulturen, der modernen Sklaverei im 21. Jahrhundert, eine Sendung im "Jornal da Tarde" (RTP). Und auch auf SIC gab es auch eine Reportage über die illegalen Landarbeiter auf den großen Plantagen.

Es werden teilnehmen: Cláudio Torres, der engagierte Archäologe der "Vila Museu" Mértola*), Maria Manuel Rolo und auch Catarina Martins, Vorsitzende des BE

Was hat das mit uns, den Konsumenten in Mitteleuropa zu tun?
Hier wird ein bestehender Olival mit schönen ca 50jährigen Bäumen gerodet, um Platz zu machen für die modernste Variante: das Anpflanzen von maschinell erntbaren Oliven-büschen in 50 cm-Abstand
Wir sehen die schönen grünen Plantagen und denken, oh der Alentejo sieht ja gar nicht mehr so verbrannt aus - tatsächlich sind die Weizenfelder fast verschwunden und mit ihnen die Ödnis der abgeernteten Stoppelfelder, die von Juli bis zum Pflügen im November die planície dourada, die goldene Ebene, prägten. Jetzt ist die Ebene grün - olivgrün. Ah das sind ja Bäume, denkt mer beim ersten Hinschauen, und Bäume, das ist gut, erst später fällt auf, es sind nur Bäume, alles die gleiche Sorte, und neuerdings auch viele nur in Spalier-busch-Größe. Zwischen den Reihen wächst - nichts! auch nciht nach einem Regentag, der sonst das Land zartfrün schimmern ließ. Was wir manchmal noch finden, ist glyphosat-resistentes Kraut. Und auch die Vögel verschwinden. Schon beschweren sich die Jäger (!).

Sie werden in 50 cm Abstand gepflanzt
Neue Plantagen mit Olivenbüschen, im 2. Jahr

Wer hingegen gutes Olivenöl will, muß auch als Konsument gegen die Dumpingpreise durch Ausbeutung kämpfen. Es sind dieselben Firmen, die großzügig mit Pesticiden und Glyphosat sprühen, und knauserig sind mit der Bezahlung der Erntearbeiter. Diese neuen Hyper-Latifundien umfassen oft mehr als 20 der ehemals schon großen Landbesitztümer. Dort entstehen unkontrollierte hybride Welten, die nichts mehr zu tun haben mit den Dörfern und Städtchen ringsum.

Es ist für kleinere Bio-Betriebe ein ungeheuer zeitraubender Aufwand, die Zertifizierer während des Erntestresses im Werk alles durchstöbern zu lassen, es sind genaue Prüfungen. Und ich habe mich deshalb immer gefragt, wie es die größeren Firmen hinbekommen, ihren Anbau als "bio" stempeln zu lassen, wenn sie doch augenscheinlich immer sprühen und düngen. Die wirklich Großen freilich können sich eine Abteilung leisten, die in der Lage ist, die nötige komplette parallele Legende für den Nachweis biologischer Landwirtschaft zusammenzustellen mit den "richtigen" Daten und Mengen des Ausbringens der erlaubten Substanzen.

Uralter Ölbaum - Oliveira centenal: So alt dürfen die "Jungen" nie mehr werden...

*) Cláudio Torres hat zum Entsetzen fast der gesamten Intelligenzia des Baixo Alentejo verhindert, daß ein riesiger Hotelkomplex auf dem der Stadt Mértola gegenüberliegenden Guadiana-Ufer gebaut wird. Sein Argument: solcher Tourismus hat mit Mértola und seinen Einwohnern nichts mehr zu tun, er macht mehr Umsatz, aber davon bleibt nichts im Ort hängen, der zu einem Freiluftzoo für die besucher wird - im Gegensatz zu jetzt, wo es nicht für alles Schilder gibt, wo die Besucher einzeln kommen und keine "Heuschrecken" sein können, und sowohl beim Spazierengehen wie beim Übernachten (kleine Pensionen und airbnb) mit den Einheimischen direkt in Kontakt kommen.